Gothic und Christ (Gastbeitrag von Torben Zahradnicky)

Gothic-Fan und Christ in einer Person? Geht das überhaupt? Ist die Gothic-Szene nicht voll von satanischen Symbolen? Diese und ähnliche Fragen werden häufig gestellt. Dieser Artikel soll anhand von verschiedenen Beispielen die Thematik der Symbole sowie die Tatsache, dass Symbole eine Vielzahl an Bedeutungen aufweisen thematisieren. (Randbemerkung: Die Gothic-Szene ist kein homogenes Kollektiv mit einer bis ins kleinste Detail einheitlichen Weltanschauung. Vielmehr besteht sie aus vielen unterschiedlichen Individuen. Da haben auch Christen ihren berechtigten Platz.)

Beispiel 1: Pentagramm

Dieses Symbol wird häufig in zwei Varianten verwendet, zum einen mit der Spitze nach unten und zum anderen mit der Spitze nach oben. Wobei es sich bei dem Symbol mit der Spitze nach unten streng genommen um ein umgedrehtes Pentagramm handelt.

Viele kennen das Pentagramm als Symbol des Mittelalters, welches als Schutz vor dem Bösen diente und gehen davon aus, dass das umgedrehte Pentagramm wohl eine Verspottung dessen darstellt und das Böse beschwören soll.

„Im christlichen Abendland wurde … das Pentagramm zum ersten Mal im Gedicht 'Sir Gawain und der grüne Ritter' (14. Jh.) fassbar. Dort ist es auf dem Schild des im arturianischen Sagenkreis zugehörigen archetypischen keltischen Sonnenhelden Sir Gawain abgebildet. Wie der Dichter erklärt, besitzen die fünf Ecken des Sterns eine tiefere Bedeutung: Sie repräsentie- ren die fünf Sinne, die fünf Finger, die fünf Wunden Christi, die fünf Freuden, die Maria durch Jesus erlebte (die Verkündigung Christi, die Geburt Christi, die Auferstehung Christi, die Himmelfahrt Christi, die Himmelfahrt von Maria) und die fünf Tugenden der Ritterschaft, von denen Gawain hoffte, dass er diese verkörpert: Grossmut, Kameradschaftlichkeit, Reinheit, Höflichkeit und Mitleid.“ (Quelle: http://hermetik.ch/ath-ha-nour/site/pentagrammgeschichtechrist.htm)

Diese christliche Bedeutung ist wohl auch der Grund, warum Pentagramme an und in einigen gotischen Kirchen zu sehen sind. Zum Beispiel an der Marktkirche in Hannover oder in der Kirche San Juan de Castrojeriz in Spanien. In diesem Fall ist zu sehen, dass sogar das umgedrehte Pentagramm hier verwendet wird. Dies lässt darauf schließen, dass die Richtung keine übergeordnete Rolle spielt und das umgedrehte Pentagramm eigentlich keine Verspottung des eigentlichen Pentagramms darstellt.

In der Geschichte hatte das Pentagramm jedoch die unterschiedlichsten Bedeutungen. In der Antike war es das Symbol der Göttin und des Planeten Venus. Außerdem kannte man es als Symbol für Gesundheit. Allerdings verwenden auch die Freimaurer das Pentagramm. Seine fünf Spitzen weisen auf die Tugenden der Klugheit, der Gerechtigkeit, der Stärke, der Mäßigung und des Fleißes hin. (Quelle: Georg Schuster: Geheime Gesellschaften, Verbindungen und Orden. fourier (Nachdruck etwa 1992), B. 2, S. 113) (Weitere symbolische Deutungen der fünf Ecken des Pentagramms sind der Geist und die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft; oder auch Äther und die vier Himmelsrichtungen Norden, Süden, Westen und Osten.) Über Jahrhunderte galt das Pen- tagramm als ein beliebtes Schutzzeichen, das Böses abwehren und Gesundheit bringen sollte. (Quelle: http://schwarzesbayern.info/mythen-im-metal-das-pentagramm/) Vermutlich liegt es an der Verwendung durch die Freimaurer, dass dieses Symbol häufig als ein Symbol des Bösen wahrgenommen wird. Die Freimaurer „interessierten sich für Pythagoras und jüdische Zahlenmystik ebenso wie den Volksglauben an die Schutzwirkung des Pentagramms – und folgerten irgendwann wahrscheinlich im Laufe des 17. Jahrhunderts, dass ein umgedrehtes Pentagramm also die gegenteilige Wirkung haben und ein Symbol des Satans sein müsse….In den 1960ern wurde das Pentagramm unter Satanisten zum ultimativen Symbol des Bösen.“ (Quelle: http://schwarzesbayern.info/mythen-im-metal-das-pentagramm/) Die allermeisten Gothics distanzieren sich jedoch deutlich vom Satanismus und drücken ein völlig anderes Lebensgefühl aus. Auch deshalb wäre es falsch, ein Symbol aufgrund dessen, dass es missbraucht wurde, nicht in seinem ursprünglichen Sinne zu verwenden.

Beispiel 2: Petruskreuz

Unter dem Petruskreuz wird ein umgedrehtes Kreuz verstanden.

Nach christlicher Überlieferung bat der Apostel Petrus, als er bei seinem missionarischen Wirken in Rom verhaftet wurde und gekreuzigt werden sollte, darum, kopfüber gekreuzigt zu werden. Dazu äußerte er, dass er nicht würdig sei, auf die gleiche Weise wie Christus zu sterben.

Katholische Kirchen, die dem heiligen Petrus geweiht sind, tragen oder trugen anstatt des lateinischen Kreuzes ein Petruskreuz auf dem Turm. Auch in der Kunst taucht das umgekehrte Kreuz, auch zusammen mit dem Motiv des Schlüssels, als Symbol des Apostels Petrus auf.

Erst in der Neuzeit sowie in der Black-Metal-Szene wird dieses Symbol als Verspottung des Christentums oder gar als Bekenntnis zu Satan verwendet. Doch auch hier ist die Intention der Verwendung unterschiedlich. Eine Verbindung zwischen der Black-Metal-Szene und der Gothic-Szene besteht ganz klar nicht.

Beispiel 3: Mystische Wesen

Auch mystische Wesen (z.B. Phönix, Rabe, Einhorn, Drache, etc.) finden in der Gothic-Szene Verwendung. Zu all diesen Wesen kann eine christliche Symbolik hergestellt werden. Der Phönix wird im Christentum als Symbol der Auferstehung verstanden und auf die Auferstehung der Toten bezogen. Der Phönix steht daher auch für Christus. (Quelle: https://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/phoenix/ch/94ec0a651dc76ba127d57039110aa703/)

Schauen wir uns die Raben an. Dr. Maria Meesters hat hier interessante Entdeckungen gemacht: „Im Matthäusevangelium sagt Jesus: 'Schaut auf die Vögel des Himmels! Sie säen nicht und ernten nicht und sammeln nicht in die Scheunen, und euer himmlischer Vater ernährt sie doch' (Mt 6,26). Im Lukasevangelium sind diese Vögel Raben. 'Seht auf die Raben', sagt Jesus da. Und dann geht es weiter fast wie bei Matthäus: 'Sie säen nicht und ernten nicht, sie haben keinen Speicher und keine Scheune; denn Gott ernährt sie' (Lk 12,24). Keine netten Singvögel also, sondern Raben. Jene großen buchstäblich rabenschwarzen Vögel mit ihren laut krächzenden Stimmen. Im Psalm 147 heißt es: 'Gott gibt dem Vieh seine Nahrung, er gibt den jungen Raben, wonach sie schreien.' (Ps 147,9). Die Raben schreien lauthals ihren Hunger heraus. Und Gott sorgt für sie. Wer bedürftig ist, darf schreien, sagt also dieser Psalm. Mit dem Stichwort Raben klingt auch eine Begebenheit aus dem Leben des Propheten Elija an. Elija hatte seinen Landsleuten eine Dürre angekündigt. Danach muss er sich für einige Zeit verstecken. Gott beauftragt Raben, ihm zweimal täglich Brot und Fleisch zu bringen.“ (Quelle: https://www.kirche-im-swr.de/?page=manuskripte&id=16016)

Betrachten wir das Einhorn: Dem Einhorn werden die unterschiedlichsten Bedeutungen zugeschrieben. So teilt Domradio folgendes mit: „Rosafarbene Einhörner aus Plastik, die gehören schon in die Abteilung Kitsch. Aber, dann gibt es eben auch noch die anderen – zum Beispiel auf dem Einhornaltar in Erfurt oder das Marienfresko in der Kirche 'Unser Frauen' in Memmingen. Auf diesem Fresko legt Maria ihre Hände schützend um ein kleines goldenes Pferd mit Horn, auf dessen Rücken das Jesuskind sitzt. Das Einhorn ist nämlich ein Symboltier für Maria. Es steht für ihre Reinheit.“ (Quelle: https://www.domradio.de/radio/sendungen/die-sonntagsfrage/das-einhorn) Dem gegenüber steht folgende Auffassung: Im zweiten Jahrhundert nach Christus erschien auf Griechisch ein frühchristliches Volksbuch mit dem Namen „Physiologus“. Hierin steht, dass nur Jungfrauen Einhörner fangen können. Dabei deutete man, dass die Jungfrau Maria und das Einhorn Jesus Christus ist. Das eine Horn steht für den Monotheismus und die Menschwerdung von Gott. (Quelle: https://www.printplanet.de/wissenswertes/themen/einhorn/das-einhorn-die-herkunft-und-bedeutung-des-fabelwesens)

Schauen wir uns den Drachen an: Der Drachen kann als „König aller stolzen Tiere“ und nicht in erster Linie als Sinnbild des Bösen angesehen werden. Hierbei kann der Leviathan im Buch Hiob als Drache verstanden werden, da es heißt, dass dieser Feuer speit.

Auch Totenköpfe werden in der Gothic-Szene gerne verwendet. Auch hiervor sollten wir nicht erschrecken. Was hat denn Jesus für uns getan? Er ist am Kreuz für uns gestorben. Das Kreuz steht somit auch als Symbol für den Tod und war das grausamste Hinrichtungsinstrument was es je gegeben hat. Dies geht oft vergessen, wenn ein Kreuz z.B. als schöne Halskette getragen wird. Nicky Gumbel ruft im Alpha-Kurs dazu auf sich einmal vorzustellen, wie wir reagieren würden, wenn jemand einen elektrischen Stuhl als Halskette tragen würde.

Aber ist die Darstellung der Farbe Schwarz nicht böse? Nein! Gott hat den Tag und eben auch die Nacht geschaffen. Gottes Garten ist bunt, da gehört auch schwarz dazu. Daher sollten wir auch vor Wesen welche in schwarz dargestellt werden, obwohl diese eigentlich eine andere Farbe haben (z.B. schwarze Einhörner) nicht erschrecken. Auf den ersten Blick scheint es vielleicht so, dass das schwarze Einhorn böse ist. Doch ist dem wirklich so? Hinterfragen wir doch mal unsere Klischees! Im Mittelalter wäre eine Frau welche mit dem Heiligen Geist erfüllt ist, mit Sicherheit als Hexe verbrannt worden, im Auftrag einer Kirche welche sich längst gegen das Evangelium gestellt und dem Volk das Lesen in der Bibel verboten hat. Wir sehen, das Bild von dem Evangelium verpflichteter Kirche auf der einen Seite und „böse Hexe“ auf der anderen Seite ist hier verdreht.

Schlussfolgerung

Anhand der Symbole „Pentagramm“ und „Petruskreuz“ sehen wir, dass es immer wichtig ist, mit welcher Intention ein Symbol verwendet wird und das eine pauschale anti-christliche Haltung in den seltensten Fällen anhand eines bestimmten Symbols festgemacht werden kann.

Die Mystik ist die Tür ins Übernatürliche. Somit sind auch mystische Wesen eine Tür ins Übernatürliche. Diese mystischen Wesen können für manche der Türöffner zu Jesus sein. Gerade in der Gothic-Szene sind viele offen für Mystik und für Fantasy. Fantasy-Literatur wird von vielen in der Gothic-Szene gerne gelesen. Gottes Garten ist bunt – da gehören auch die Farbe Schwarz sowie mystische Wesen dazu. Sich mit diesen Wesen zu befassen kann die Ausdrucksform einer christlichen Identität sein, welche niemals in Esoterik oder Magie verfällt. Diese Mystik kann auch der Türöffner für ein Gespräch über Jesus und den christlichen Glauben sein.

Lasst uns also dafür offen sein!

Jetzt könnte man sagen, dass Symbole, welche keine eindeutige christliche Zuordnung aufweisen, von Christen nicht verwendet werden sollten. Hierbei ist jedoch zu sagen, dass es zu einer Beziehung zu Jesus grundsätzlich gar keiner Symbole Bedarf und dass fast alle Symbole, welche wir heute verwenden (einschließlich dem Kreuz) die Urgemeinde nicht kannte. Heute im Christentum gängige verwendete Symbole und Bräuche haben ebenfalls keine eindeutige christliche Zuordnung und teils sogar einen heidnischen Ursprung. So z.B. der Tannenbaum an Weihnachten sowie das Weihnachtsfest an sich. Bereits „vor vielen Jahrhunderten waren immergrüne Pflanzen in heidnischen Kulturen ein Symbol für Fruchtbarkeit und Lebenskraft. So haben die Germanen Tannenzweige zur Wintersonnenwende an öffentlichen Orten und vor ihren Häusern platziert. In nördlichen Gebieten wurden im Winter Tannenzweige ins Haus gehängt, um böse Geister am Eindringen zu hindern und die Hoffnung auf den nächsten Frühling zu nähren.“ (Quelle: https://www.meinetanne.de/weihnachtsbaum/weihnachtsbaum-geschichte/) „Da für die Geburt Christi in der Bibel kein genaues Datum angegeben ist, musste … ein passender Termin gefunden werden. Nun gab es im römischen Reich die weit verbreitete vorchristliche Mithrasreligion in dessen Zentrum die Verehrung der 'sol invictus', der unbesiegbaren Sonne, stand: Das Hauptfest dieser 'heidnischen' Religion wurde am 25. Dezember als dem Tag der Sonnenwende gefeiert, wobei zu Ehren der neu aufsteigenden 'Siegerin Sonne' große Feuer angezündet wurden. Die Kirchväter der ersten Stunden ahnten wohl, dass die im Naturgeschehen verwurzelten Bräuche der vorchristlichen Religionen nicht so einfach auszurotten gewesen wären und datierten strategisch geschickt das zweitwichtigste Fest des Christentums auf den 25. Dezember, den vom Sonnenkult bestimmten Tag.“ (Quelle: http://www.tannenbaum.de/_geschichte.htm) Doch all dies wird von den meisten Christen nicht in Frage gestellt. Schließlich ist das Herz hinter allem entscheidend und wir werden uns durch das Weihnachtsfest dem was Jesus für uns getan hat im besonderen Maße bewusst. Außerdem ist das Weihnachtsfest eine gute Gelegenheit, sich neu auf christliche Werte auszurichten und sich darauf zu fokussieren, dass Jesus in jedem einzelnen von uns wiedergeborenen Christen lebt.

Lasst uns also bei allen Symbolen, Bräuchen etc. sehr aufmerksam sein und keine Pauschalurteile abgeben. Lasst uns erkennen, dass sich auch die Gothic-Kultur sehr gut mit dem christlichen Glauben und einem Leben mit Jesus vereinbaren lässt und dass dies nicht an vermeintlichen anti-christlichen Symbolen scheitert, da diese i.d.R. auch einen christlichen Hintergrund aufweisen und sogar bei allgemein anerkannten christlichen Traditionsfesten oft ein heidnischer Ursprung auszumachen ist. Lasst uns hinter allem mehr das Herz erkennen als den äußeren Schein! Als Christen sollte unser Herz immer auf Jesus ausgerichtet sein, egal wie „unsere äußere Verpackung“ aussieht!

(Torben Zahradnicky)

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