22 December 2024

Tag 22

Der heutige Beitrag stammt von Stefanie Düll

Schneeflocken

Der Mann zwischen den Regalen

Es war einer dieser typischen Dezembertage: kalt, grau und hektisch. Hanna zog ihre dicke Strickjacke an und wickelte sich einen Schal um den Hals, bevor sie hinaus in die Kälte trat. Ihr Ziel: der kleine Gourmet-Lebensmittelmarkt um die Ecke. Hier duftete es nach frisch gemahlenem Kaffee, Zimt und einem Hauch von Vanille. Hanna liebte diesen Laden, besonders in der Vorweihnachtszeit, wenn sich die Regale mit feinsten Zutaten und festlichem Gebäck füllten. Doch heute war da ein kleiner Funken Neugier in ihr. Vielleicht ist er auch hier? dachte sie, und sofort meldeten sich die vertrauten Stimmen in ihrem Kopf.

„Natürlich nicht. Und wenn doch? Was, wenn du dich wieder blamierst? Er denkt sicher, du bist völlig chaotisch.“ Hanna schüttelte leicht den Kopf, als wolle sie die Stimmen abschütteln. Es ist doch nur ein Einkauf, redete sie sich ein. Doch ihre Gedanken ließen sie nicht los.

Kaum hatte sie den Laden betreten, passierte es. Natürlich. Direkt beim Keksregal stieß sie fast mit ihm zusammen.

„Sie schon wieder!“, sagte er mit einem breiten Lächeln, während er einen Schritt zurücktrat. „Wenn das so weitergeht, sollten wir uns besser absprechen, damit ich Ihnen nicht ständig im Weg stehe – oder stehe ich vielleicht auf Ihrer Einkaufsliste?“

„Einkaufsliste? Was soll das denn jetzt heißen? Denkt er jetzt, ich stolpere ihm absichtlich nach? Und was sage ich jetzt bloß, ohne alles noch schlimmer zu machen?“ Die Stimmen in ihrem Kopf überschlugen sich, während Hanna spürte, wie ihre Wangen immer heißer wurden.

„Ähm, nein, ganz sicher nicht!“, stammelte sie schließlich und versuchte, die Röte in ihrem Gesicht zu ignorieren. Doch er lächelte einfach weiter – entspannt, als wäre die Situation das Natürlichste der Welt.

„Vielleicht sollten wir uns beim nächsten Mal wirklich absprechen“, fuhr er mit einem Schmunzeln fort. „Oder ich lade Sie einfach auf einen Kaffee ein, um das wieder gutzumachen.“

Kaffee? Was? Hanna war so überrumpelt, dass sie nur ein unsicheres Lächeln zustande brachte. „Oh, ich… ähm… muss noch…“ Bevor sie sich weiter blamieren konnte, drehte sie sich hastig um und verschwand ins nächste Regal.


Die Abteilung mit den Marmeladen war normalerweise ihr sicherer Rückzugsort. Heute jedoch hatte sie das Gefühl, dass selbst die Gläser sie anstarrten. Sie griff nach einem Glas Himbeermarmelade und hielt es in der Hand, während ihre Gedanken unaufhörlich weiterliefen. „Warum hast du nichts gesagt? Jetzt denkt er, du hast Angst vor ihm. Vielleicht lacht er sich innerlich über dich kaputt.“

Hanna biss sich auf die Lippe und betrachtete das Glas. „Was denkst du? War das eine echte Einladung?“ fragte sie leise. Die Marmelade antwortete natürlich nicht. Doch in ihrer Unsicherheit hielt sie inne, als würde sie auf eine Reaktion warten. Erst als sie merkte, was sie da tat, wurde ihr bewusst, wie absurd die Situation war. „Ich rede mit einer Marmelade“, murmelte sie kopfschüttelnd. „Das ist der Moment, in dem ich offiziell verrückt geworden bin.“

Gerade als sie das Glas zurückstellen wollte, kam er um die Ecke. Wieder. Mit einem Glas Honig in der Hand. „Haben Sie sich entschieden? Oder hilft die Marmelade beim Nachdenken?“

Hanna wurde knallrot. „Ähm… ja, sie hat mir geraten, weniger zu denken und mehr zu handeln.“

„Ein weiser Rat“, sagte er und grinste. „Aber wenn Sie den Honig fragen, wird er Ihnen sagen, dass Sie lieber etwas Süßes ins Leben bringen sollten.“

Die Stimmen in ihrem Kopf meldeten sich sofort: „Jetzt macht er sich erst recht über dich lustig. Geh einfach weiter! Du kannst das nicht retten.“ Doch anstatt zu flüchten, griff Hanna nach einem Bund Rosmarin in einem Korb neben ihr. Ohne nachzudenken, hielt sie ihn vor sich wie ein Schutzschild und schnupperte daran. Der frische, würzige Duft beruhigte sie ein wenig.

„Rosmarin“, sagte sie plötzlich laut, mehr zu sich selbst als zu ihm. „Ein Kraut für Klarheit und innere Ruhe. Genau das brauche ich jetzt.“

Er zog eine Augenbraue hoch und lächelte. „Ein bisschen Rosmarin gegen innere Unruhe? Vielleicht sollte ich das auch mal ausprobieren.“

Hanna lachte, hielt den Rosmarin demonstrativ hoch und sagte mit einem kleinen Lächeln: „Wissen Sie, es sind nicht die Kräuter, die mich aus der Ruhe bringen. Es sind die Stimmen in meinem Kopf, die ständig alles besser wissen. Aber ich glaube, ich habe gerade beschlossen, dass ich sie nicht mehr bestimmen lasse.“

Er sah sie einen Moment an, dann nickte er langsam. „Klingt, als hätten Sie einen guten Plan. Und der Rosmarin spielt darin die Hauptrolle?“

„Absolut“, sagte Hanna, und zum ersten Mal seit Tagen spürte sie, wie sich etwas in ihr aufrichtete. Die Stimmen waren noch da, aber sie fühlten sich klein und unwichtig an. Stattdessen hörte sie ihre eigene Stimme – klar und selbstsicher.

„Wie wäre es, wenn ich diesen Plan mit einem Kaffee unterstütze?“ fragte er. „Nur Sie, ich – und vielleicht der Rosmarin als Ehrengast?“

Hanna lachte, hielt den Rosmarin wie eine Standarte und sagte: „Deal. Aber der Rosmarin bekommt seinen Platz auf dem Tisch. Er hat schließlich alles ins Rollen gebracht.“

Während sie zur Kaffeebar gingen, spürte Hanna, wie ihre Gedanken leichter wurden. Ein kleiner Funken Freude glomm in ihr auf, fast wie Schmetterlinge, die zaghaft zu tanzen begannen. Sie dachte an ihre leise Hoffnung vom Morgen, dass er heute da sein könnte, und lächelte. Vielleicht, dachte sie, werden Wünsche wahr, wenn man aufhört, gegen sich selbst zu kämpfen. Und während sie überlegte, welche Art von Kaffee sie bestellen wollte, spürte sie, dass dieser Tag mehr versprach, als sie erwartet hatte.


Die Einladung an dich

Was Hanna an diesem Tag erfahren hat, gilt für uns alle: Die Stimmen in deinem Kopf, die ständig zweifeln und kritisieren, sind nicht die Wahrheit. Deine inneren Wünsche und Hoffnungen können sich erst entfalten, wenn du entscheidest, ihnen Raum zu geben – ohne die ständigen Einwände und Unsicherheiten.

Die Schmetterlinge im Bauch, die Leichtigkeit und die Freude am Leben kehren zurück, sobald du die Kontrolle über deine Gedanken übernimmst. Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es zurück – und wenn du mit Klarheit, Stärke und einem Lächeln in die Welt blickst, wird sie genau das widerspiegeln.

Hannas Tag begann mit Zweifeln, aber sie endete mit einer neuen Haltung: Sie entschied, dass sie selbst bestimmt, wie sie sich fühlt – und was sie verdient. Das kannst auch du. Fang klein an, mit einem Gedanken, der dir guttut, und baue darauf auf. Denn wie Hanna erkannte: Wünsche werden wahr, wenn du dich traust, deine Haltung zu ändern.