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Wir wollen es uns gerne gemütlich machen an Weihnachten – das Kaminfeuer, die Familie, die Besinnlichkeit. Aber Weihnachten ist kein romantisches Kaminfeuer, das uns kurz die Weltlage vergessen lässt. Weihnachten ist Gottes Unterbrechung einer Geschichte, die auf Apokalypse zusteuert – nicht, weil Gott sie will, sondern weil wir sie machen. In einer Welt, die sich selbst an den Rand des Abgrunds wirtschaftet und bewaffnet, steht dieses unscheinbare Kind für einen radikalen Gegenentwurf.
Es ist eine perfide Verdrehung des Evangeliums, wenn religiöse Bewegungen den Untergang der Welt herbeisehnen, in der Hoffnung, die Wiederkunft Christi dadurch zu beschleunigen. Wer Apokalypse als Strategie betreibt, widerspricht dem, der sagte: „Selig die Frieden stiften; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden" (Matthäus 5,9). Eine Theologie, die Bomben segnet und Börsenkurse heiligt, ist nicht christlich, sondern gotteslästerlich.
Die biblische Apokalypse: Protestschrei gegen Ausbeutung
Die biblische Apokalypse ist kein Fahrplan für religiöse Fanatiker, sondern ein Protestschrei gegen Imperien, die Menschen und Erde ausbeuten. Das Buch der Offenbarung entlarvt Systeme, in denen einige wenige unvorstellbar reich werden und viele im Schatten überleben (vgl. Offenbarung 18,11–13). Der eigentliche Endzeitkonflikt verläuft nicht zwischen Nord und Süd, nicht zwischen Schwarz und Weiß, nicht zwischen „uns" und „den Anderen", sondern zwischen denen, die von der Ungerechtigkeit profitieren, und denen, die unter ihr leiden.
Jesus verkündete den Armen die frohe Botschaft
Jesus ist nicht im Palast geboren, sondern im Stall. Nicht im Zentrum der Macht, sondern an der Peripherie (vgl. Lukas 2,7). Er verkündete den Armen die frohe Botschaft – nicht den Mächtigen, nicht den Reichen (vgl. Lukas 4,18). Wer Weihnachten feiert und gleichzeitig Strukturen verteidigt, die den Reichtum weniger auf dem Rücken vieler sichern, feiert nicht Christus, sondern das goldene Kalb (vgl. Exodus 32,1–6).
Wenn du heute Weihnachten feierst, dann stehst du vor einer Entscheidung: Wollen wir Komplizen eines Systems bleiben, das die Welt an den Rand des Abgrunds führt – ökologisch, sozial, spirituell? Oder lassen wir uns von diesem Kind daran erinnern, dass Gottes Macht sich als Solidarität mit den Verwundbaren zeigt? Weihnachten ruft nicht zur Weltflucht, sondern zur Parteinahme für diejenigen, deren Stimme im Lärm der Mächtigen untergeht.
Wahre Umkehr beginnt dort, wo wir aufhören, uns vor „den anderen" zu fürchten – Migrant:innen, Armen, Fremden – und stattdessen die Angst vor unserem eigenen Anteil an der Ungerechtigkeit ernst nehmen. Der Kampf, der zählt, ist nicht der zwischen Nationen, Hautfarben oder Lagern, sondern der Kampf um eine Welt, in der die Würde der Geringen wichtiger ist als der Profit der Großen. „Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen" (Lukas 1,52–53).
Was bedeutet die Apokalypse wirklich?
Die Botschaft der Apokalypse ist nicht: Gebt die Welt verloren, damit der Himmel schneller komme. Die Botschaft ist: Durchschaut die Lügen der Gewalt, der Gier und der religiösen Selbstgerechtigkeit. Die apokalyptischen Bilder wollen Augen öffnen, nicht Kriege legitimieren. Sie stellen die Frage, auf welcher Seite wir stehen: auf der Seite des Lammes, das sich nicht wehrt, oder auf der Seite der Bestien, die sich von Angst und Blut ernähren (vgl. Offenbarung 13,1–8).
Weihnachten ist Gottes leiser, aber unbeirrbarer Einspruch gegen jeden End-Zeit-Aktivismus. Nicht das Ende der Welt ist unsere Hoffnung, sondern ihre Verwandlung: „Siehe, ich mache alles neu" (Offenbarung 21,5). Das Kind in der Krippe ruft nicht dazu auf, die Welt brennen zu sehen, sondern dazu, die Brände der Ungerechtigkeit zu löschen – mit Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und der unbequemen Wahrheit, dass es ohne Umverteilung von Macht und Reichtum keinen Frieden geben wird.
Die wahre Botschaft von Weihnachten heute
Vielleicht heißt Weihnachten heute: den eigenen Lebensstil in Frage zu stellen, Ressourcen zu teilen, Macht zu dezentrieren und den Armen nicht mehr als Objekt von Wohltätigkeit, sondern als Subjekt der Verheißung wahrzunehmen. Jesus stellt die seltsame, unbequeme Option in den Raum: „Sammelt euch Schätze im Himmel" (Matthäus 6,20) – das heißt: investiert in Beziehungen, in Gerechtigkeit, in Versöhnung, statt in immer neue Zäune, Waffen und Renditen.
Wenn wir dieses Kind ernst nehmen, dann wird aus der sentimentalen Weihnachtskulisse ein politisch-theologischer Stachel. Dann erkennen wir, dass Gott nicht neutral bleibt, wenn einige wenige im Überfluss leben und viele um das Minimum kämpfen müssen. Weihnachten fragt uns: Auf welcher Seite dieser Geschichte willst du stehen – bei denen, die noch mehr besitzen wollen, oder bei denen, die sich nach einem Leben in Würde sehnen?
Am Ende ist Weihnachten kein süßer Ausstieg aus der Realität, sondern ein radikaler Einstieg in Gottes Vision von Welt: eine Erde, auf der Frieden und Gerechtigkeit sich küssen (vgl. Psalm 85,11). Das Licht von Bethlehem ist kein dekoratives Accessoire, sondern ein Signal: Die Systeme der Ausbeutung, in denen Menschen und Natur für Profit verheizt werden, haben nicht das letzte Wort. Sondern eine andere Logik: die Logik der Liebe, die Grenzen sprengt. Die Logik der Teilung, die alle reich macht. Die Logik des Kindes in der Krippe. Das ist die Botschaft von Weihnachten!